Jesus in der "Apfelkirche" bei Göreme |
Bekanntlich
ist unter den Muslimen der Vorname
Mohammed sehr geläufig. Die Christen dagegen vermeiden es in der Regel (bis auf
einige spanisch sprechende Völker), ihre Kinder Jesus zu nennen. Umgekehrt ist
es bei den Muslimen nicht üblich, ihre Kinder „Moslem“ zu nennen.
Entsprechendes tun nun wiederum die Christen – im deutschsprachigen Raum, indem
sie ihren Kindern die schönen Vornamen von meiner Frau und mir, Christiane und
Christian, geben.
Im
türkischen kann das leicht zu Verwirrungen führen. Der Vater der Braut sagt auf
meine Vorstellung „ich bin Christian" ein wenig abwehrend, „Ach, wir sind
alle nur Menschen“. Er hat verstanden, „ich bin ein Christ“, Und ich muss mich
korrigieren: „Nein, mein Name ist Christian“.
Am ersten
Abend der Hochzeit werde ich im Wohnzimmer des Bauernhauses von zwei sehr klugen Leuten intensiv nach meinem
Glauben gefragt. Glücklicherweise übersetzt mein Freund Nureddin alles - und
ist dabei manchmal so klug und auch so frei, meine Antworten um eigenes von dem zu ergänzen, was
er aus den vielen Gesprächen mit mir schon früher einmal erfahren hat.
Die erste
Frage ist gleich die schwerste: was ich vom Propheten Mohammed halte. Cevat, der
Vetter aus dem Ministerium in Ankara, stellt sie. Ich male einen großen Baum auf
ein Stück Papier mit langen, parallel nach oben verlaufenden Ästen. Die Wurzel
und der Stamm, das sind die Juden. Der erste Abzweig sind die Christen, später gibt
es einen weiteren, wenn sich Katholiken und Evangelische teilen. Der zweiter
Abzweig sind die Muslime, auch sie später noch einmal gespalten.
Das gibt
fünf parallele Triebe, wenn man will auch mehr. Wie sieht der Mann, der zum vierten
Trieb gehört, auf den vom fünften? Wie sieht ein Katholik Martin Luther? Wenn
er freundlich ist, wird er sagen: der war zu seiner Zeit notwendig, die Kirche
hatte eine Reihe von Fehlern gemacht. Aber folgen will ich ihm nicht, ich folge
anderen Glaubenstraditionen.
Können das
auch die Christen über Mohammed sagen? Ich finde: es ist nicht
verboten. Wenn ich dann allerdings weitergehe und das Eigene meines Glaubens darstellen
will, dann komme ich gern zum Kreuzestod Jesu. Der hat laut Koran nicht
stattgefunden. Jesus ist durch einen Stellvertreter ersetzt worden, der für ihn
ans Kreuz gegangen ist, der Koran-Auslegung nach war es Judas.
Ich setze
vorsichtig dagegen, dass nur durch Jesu Tod die komplette Fülle der Liebe
Gottes verständlich und glaubhaft gemacht werden konnte. Und dann erzähle ich manchmal
von der Begegnung mit einem frommen und gelehrten Moslem in Istanbul, der mir
am Ende des Gespräches sagte, die Christen hätten das besondere Anliegen der
Liebe, und die Muslime hätten das besondere Anliegen der Gerechtigkeit. Wenn
beide sich gemeinsam anstrengen würden, ihre Anliegen in der Welt besser zur
Geltung zu bringen, wäre der Welt geholfen.
Vor meiner
vorletzten Türkeireise hat mir Friedel Pfeiffer, ein von mir sehr geschätzter
Missionar unter deutschen Strafgefangenen, mit auf den Weg gegeben, ich solle
meine Bibel mitnehmen und sie immer sichtbar neben mich auf den Tisch legen.
Ich will ihn demnächst besuchen und ihm sagen, dass ich es nicht getan habe.
Ich will ihm
auch sagen, warum. Die Muslime halten die Bibel für verfälscht und haben oft
die gesamte Munition der modernen historisch-kritischen Forschung für Ihre
Argumente im Kopf vorrätig. Aber dass Gott die Menschen liebt, das können und
wollen sie nicht abstreiten, das gefällt Ihnen auch. Und dass er einen Menschen
mit dem speziellen Auftrag in die Welt schickt, diese Liebe zu zeigen und zu
erweisen, auch das gefällt ihm. Und dann ist es nicht weit, sich darüber zu unterhalten,
dass dieser Mensch göttliche Eigenschaften hatte.
Das führt
nicht zu einer Einigung bezüglich Jungfrauengeburt und Trinität. Aber es führt
zu einem Verständnis dafür, dass die Christen eine warme und herzliche
Sehnsucht nach der Zuwendung und Nähe Gottes haben.
Diese haben
die Muslime auch, besonders wenn sie in der alten türkischen Tradition stehen,
die immer wieder von großen Mystikern geprägt wurde. Am Ende übersetzt mir Cevat
Gedichte des mittelalterlichen türkischen Mystikers Yunus Emre. Sie gefallen uns beiden. Es
spricht viel dafür, dass zu Emres Zeiten noch viele christliche Klöster auf
türkischem Boden existierten und dass man sich damals ausgetauscht hat. Von
Mevlana Rumi, dem größten mittelalterlichen muslimischen Mystiker ist bekannt, dass er die
Mönche in seiner Nachbarschaft gerne aufsuchte, um mit ihnen zu reden. Man
sollte diesen Austausch fortsetzen. Menschen, die sich in ihrem Inneren auf
Gott ausrichten wollen, haben sich immer etwas zu sagen.
Ob ein Moslem
im Gespräch mit mir etwas von meinen Gedanken übernimmt, kann ich nicht
beeinflussen. Aber was ich bewirken kann ist, dass er in meinen Worten und auch in meinem Auftreten und
Verhalten ein wenig von der Liebe Gottes mitbekommt, so wie ich sie als Christ
verstehe und erlebe. Dafür kann ich einen bescheidenen Beitrag leisten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen