Donnerstag, 12. September 2013

Moscheen und Kirchen

Alte Moschee, Tarsus
An der Stelle, wo die Eski Cami (Alte Moschee) in Tarsus steht, gab es schon um das Jahr 300 eine Kirche, die später um- und ausgebaut wurde und ihre endgültige Form zwischen 1100 und 1300 erhielt. Das war in der Zeit, als Tarsus einer der Hauptorte des Armenischen Königreichs Kilikien war. Dieses Reich zerfiel, noch bevor Tarsus 1415 durch Ramazanoğlu Şehabettin Ahmet Bey erobert und dem wachsenden osmanischen Sultanat einverleibt wurde. Die armenische Kirche wurde damals in eine Moschee umgewandelt und ist es bis heute geblieben. Sie ist aber von ihrem Äußeren und besonders von ihrem Grundriss her immer noch klar als Kirche zu erkennen – man kann es auf den beiden Fotos links und rechts gut sehen.


Alte Moschee, Westportal
 
Auch die Ulu Cami (Große Moschee, Bild unten) sieht innen wie eine Kirche aus – drei Schiffe, die 90 Grad zur Gebetsrichtung des Islams (hier nach Süden) von West nach Ost verlaufen und dadurch entsprechend eine muslimische Gottesdienstordnung notwendig machen, die eigenartig desorientiert „gegen die Wand“ gerichtet zu sein scheint. Zu dieser zweiten  alten Moschee finde ich widersprüchliche Angaben – es ist die Rede davon, dass auch hier die Christen über mehrere hundert Jahre eine Kirche hatten, aber vor ihnen waren offenbar als „Ureigentümer“ die Araber da und haben um das Jahr 800 möglicherweise an dieser Stelle eine erste Moschee gebaut.
Große Moschee, Innenhof
Dass Kirchen und Moscheen bis zum jüngsten Tag den Zweck erfüllen, den ihre Gründer ihnen beim Bauen mitgegeben haben, das ist sicherlich immer deren sehnlicher Wunsch gewesen. Aber dass er sich nicht immer erfüllen lässt, das erfährt man als Deutscher gerade in diesen Jahren im eigenen Lande manchmal mit Schmerzen. Ich sah jüngst eine Zeitungsreportage über verkaufte und danach umgebaute deutsche Kirchen –  da gibt es Kulturzentren, Speiserestaurants, Klettergärten, Museen, der Phantasie der Kirchenkäufer sind keine Grenzen gesetzt. Natürlich gibt es auch bereits Moscheevereine in Deutschland, die alte Kirchen gekauft haben, obwohl deren Vorbesitzer vermutlich lieber eine Disco in den Mauern sehen würden als ausgerechnet ein Gebäude der Konkurrenz.
Aber stimmt das mit der "Konkurrenz" wirklich? Ich mache mal ein Denkspiel: die bedeutendste Kirchenmoschee oder Moscheekirche der Welt steht in Istanbul: die Hagia Sophia. Sie war Kirche von 500 bis 1453, war Moschee von 1453 bis 1935 und ist Museum seit 1935. Wäre es vorstellbar, dass sie eines Tages wieder ein Haus des Gebetes würde, und wäre es außerdem vorstellbar, dass sie es dann für alle Religionen würde?

Ich setze einmal einen Preis aus: wenn es den Istanbulern gelingt, für dieses Projekt die technischen und rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, dann sollte man sie mit einem Paket belohnen, das die Olympischen Spiel 2024 und die Fußball-WM 2026 beinhaltet, und meinetwegen noch ein oder zwei Fußball-EMs dazu…

 

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