Ala Daglar bei Pozanti |
Kaum ein
anderes Gebiet der Welt hat wohl so viele Völker durchziehen sehen wie
Kleinasien, die heutige Türkei. Die Perser im Sturm nach Westen und später
Alexander der Große in Gegenrichtung, dann die Römer, die Byzantiner, die
Araber, die Kreuzritter und in den letzten 1.000 Jahren schließlich die aus
Zentralasien einströmenden und den Hauptteil der heutigen Bevölkerung
ausmachenden türkischen Stämme. Es fällt an vielen Orten leicht, sich die durchziehenden
Heereszüge vorzustellen, Platz für sie ist überall genug.
Was hat sich
den vielen Menschen von diesem Land eingeprägt, von den Hochflächen Zentralanatoliens
mit ihren weiten Tälern und sanften, mächtigen Bergen, was haben sie von der angrenzenden
blauen Gebirgskette des Taurus mitgenommen und vielleicht als eine
idealtypische Landschaft verstanden, die anders aussieht, als alle anderen
Landschaften in der Welt? Mir scheint, dass man von hier Bilder von dem mitnehmen
kann, was recht eigentlich ein Berg ist, eine Hochfläche, ein weites Tal.
In Mittelanatolien
stehen die Berge nicht so dicht wie etwa in den Alpen und den deutschen
Mittelgebirgen, die Täler geben mehr Raum und erlauben es, auf bequemen Straßen
in Sichtweite der Berge zu fahren, ohne beständig Pässe überqueren zu müssen. Der
Erciyes (3.917 m) steht frei und weithin sichtbar im Land, in den Alpen würde
er Reinhold Messmers „König Ortler“ (3.905 m) knapp überragen, nur dass man
letzteren nicht schon von München aus sehen kann. An der Bergkette der „Ala
Daglar“ südlich des Erciyes, die ebenfalls an die 3.800 m reichen, führt eine
lange, wenig kurvenreiche Talstraße entlang, auf der man die gewaltigen Berge beständig
gut sichtbar im seitlichen Autofenster hat.
Burg Tokmar bei Silifke am Mittelmeer |
Das von mir
beschworene Idealtypische dieser Landschaften wird besonders dort deutlich, wo
der Mensch in sie eingegriffen und an markanten Stellen Gebäude errichtet hat.
Ein Berg wird dadurch noch einmal in einem besonderen Sinne ein Berg, dass er
auf seiner Spitze die Krone einer Burg trägt. Und wenn sich diese Burg dann so
perfekt in das Gelände einfügt wie die selbst als Ruine noch wunderbar
harmonische mittelalterliche Burg Tokmar über einem Mittelmeerhafen bei
Silifke, und wenn Bäume vor ihrer Mauer wachsen, unter denen Schafe und Ziegen
weiden, so entsteht um sie herum ein kleiner Zauber.
Burg Lambron (türkisch Namrun) in der Nähe der kilikischen Pforte |
Dagegen ist
die Burg Lambron / Namrun in der Nähe der kilikischen Pforte so mit dem
schroffen Felsen, auf dem sie steht, verwachsen, dass man zweimal hinsehen
muss, um Gebäude (mit türkischer Fahne) und Reste der Mauern zu erkennen. Sie wirkt solitär, abweisend
und uneinnehmbar, heute würde man sagen: nur für Alpinisten erreichbar. Wir
fanden den Weg zu ihr hinauf aber überraschend einfach und an keiner Stelle
wirklich gefährlich.
Trotzdem
wundert es mich jetzt, beim Betrachten der Bilder, dass ich tatsächlich nur
wenige Meter von der Fahne entfernt gestanden habe, die vom Burgberg herunter
hängt (ich kann es aber beweisen). Vielleicht hätte Alexander der Große
ebenfalls bestätigen können, dass man in der Regel bequem zur Burg gelangt – wenn
man mit dem Burgherrn nicht im Krieg lebt – und dass man von dort einen gewaltigen
Blick in den Taurus tun kann.
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