Ich habe aus dem Buch einen roten Faden gewonnen, der dem eine Grundordnung gegeben hat, was ich über Preußen gelesen oder bei den Besuchen hier im Lande selbst in Erfahrung gebracht habe.
Für den in Pommern geborenen von Thadden war Preußen ein Kunstgebilde, dem es an historischer Fundierung fehlte. Es war im Kreis der alten europäischen Mächte ein Emporkömmling, was gleichzeitig seine Schwäche und seine Stärke war.
Preußen war immer dann stark, wenn es sich aus der natürlichen Mangelwirtschaft, in die hinein es geboren wurde – man denke an die kärglichen Böden seines brandenburgischen Kernlandes – durch Fleiß und Ordnung und ein gewisses Maß an asketischer Lebensführung eine Existenzgrundlage verschaffte. Es war schwach, wenn es seine neureiche Existenz durch Angleichung an die Pracht seiner Nachbarn aufwerten wollte, etwa durch den Zuerwerb von Kolonien und den Bau einer die Weltmeere beherrschenden Flotte.
Der Weg, den das auftrumpfende Preußen ging, war der falsche Weg. Er führte in einen verlorenen Krieg (den einzig verlorenen in seiner Geschichte, wenn man die Kriege gegen Napoleon ausnimmt) und in das Ende der Monarchie.
Wenn Preußen nicht zu hoch hinaus wollte, dann haben viele den alten preußischen Staat beneidet. Er war gut geführt, innovativ und offen für Einwanderer. Er wurde am Ende mit einer Fülle von Nobelpreisträgern ausgezeichnet.
Dass man allerdings demokratische Freiheiten immer nur widerwillig gewährte, lag nicht allein an einer Verkennung des Potenzials, welches die Demokratie ihren Bürgern gewährte. Es lag auch an einem vielleicht typisch preußischen Optimismus, dass der Staat auf natürliche Weise und ohne Wahlen und Parlamente den Willen seiner Menschen tun würde.
Ich habe davon geschrieben, dass die Russen mit ihrem Bild von „Mütterchen Russland“ eine ähnliche Vorstellung hatten. Die Bewegung des Volkskörpers bis hin zu den Bewegungen ganzer Armeen wurde demnach von einer souveränen Volksseele gelenkt, ohne dass es dafür einer gewählten Vertretung bedurfte.
Aus anderen Büchern weiß ich, dass es im Raum der evangelischen Kirche in Preußen Bestrebungen gab, dem Staat eine Art göttlicher Autorität zu geben. Er sollte in Gerechtigkeit und Fürsorge seinen Mitgliedern gegenüber etwas von dem Reich Gottes repräsentieren, von dem Jesus gesprochen hatte. Die Lenker des Staates, also die Könige, sollten in einer frommen Gesinnung ihre Entscheidungen mit Gott absprechen und so Könige „von Gottes Gnaden“ sein. Nicht umsonst spielt der Pietismus im Leben vieler Repräsentanten des preußischen Staates eine wichtige Rolle.
Im Nachhinein ist es einfach zu sagen, dass die ganze Bewegung fehlgeleitet war und in den Grabenkämpfen des ersten Weltkrieges, in dem die deutschen Soldaten „Gott mit uns“ auf dem Koppelschloss stehen hatten, untergegangen ist. Die 200-jährige Geschichte der preußischen Könige ist eine Geschichte des Kampfes um menschliche Möglichkeiten. Der Kampf ist insgesamt verloren gegangen. Aber er ist immer wieder bewunderungswürdig geführt worden.
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