Freitag, 27. August 2021

Urlaubsfreuden: Besuch im Bonsai-Garten

In dem kleinen Dorf Ferch am südlichen Ende des großen Schwielowsees gibt es einen japanischen Bonsai-Garten, den wir gestern besucht haben. Der Weg in das Innere des Gartens geht vorbei an einer großen Zahl von kleinen, in Töpfe gepflanzten Bonsai-Bäumen, meist kaum mehr als zwei Handspannen groß. Die zarten Spitzen ihrer Triebe wirken als feste Zweige, die Zweige wirken als Äste und der mittlere Ast bildet den Stamm.

Unendlich viel Arbeit steckt in der Anpflanzung und Aufzucht dieser Gewächse. Und erst in der Zukunft, wenn man die teuren Bäumchen mit nach Hause nimmt und in ihrer Form erhält! 

Der Schriftsteller V.S.Naipaul hatte seinen Garten in Wiltshire so angelegt, dass man möglichst wenig von den Mühen einer jahrelangen Bearbeitung sehen musste. Er mochte deshalb keinen Rasen und hat ihm nur eine kleine Fläche zugeteilt. Naipaul hätte sich hier angesichts der aufwendig gepflegten Bonsai-Bäume vermutlich eher quälen müssen. 

Im Teehaus finden wir niedrige kleine Holzsitze auf den Steinstufen, die zum Zengarten führen, und trinken dort unseren Tee. Wir können aus wenigstens 20 verschiedenen grünen Teesorten aussuchen, ich wähle einen Tee, der laut Karte einen Umami-Geschmack hat, also den Geschmack von Fleischbrühe, den die Japaner als fünften Geschmack nach süß, sauer, salzig und bitter eingeführt haben, sehr richtig, wie ich finde. Hier ist er also wundersam nicht aus Fleisch, sondern aus einer Pflanze gewonnen.

Der Garten, in den wir von den Stufen herunter blicken, ist zu einem Teil aus kleinen, regelmäßigen Schottersteinen gebildet, die sorgfältig in Kreise oder parallele Rillen geharkt sind. Jeden Morgen muss man das neu überarbeiten, sagte man uns, denn die Vögel und der Regen hinterlassen Spuren, die die regelmäßige Harmonie des Gartens stören. Der größere Teil des Gartens besteht aus einer ebenfalls sorgfältig geharkten Sandfläche - siehe Foto - an deren Rand kleine Büsche gepflanzt sind und in deren Mitte weitere Bonsaibäume stehen.

Der Tee kommt und wird von der Kellnerin hockend serviert, da die Gäste ja alle praktisch auf dem Boden sitzen. Folgt man den Beschreibungen auf der Teekarte, so sollte man den Tee nach einem bestimmten System im Mund hin und her wandern lassen. Zu dieser Konzentrationsübung sehe ich mich nicht in der Lage und genieße den Tee (er könnte etwas heißer sein) auch so. Man kann die Blätter in den kleinen Kännchen bis zu viermal aufgießen, der zweite Aufguss gilt als der beste.

Im Teehaus mit etwa sechs weiteren Gästen herrscht eine wohltuende Stille. Die meisten von ihnen schweigen und wenn sie es nicht tun, flüstern sie nur leise untereinander. Die sorgfältig gepflegten Formen des Gartens tragen dazu bei, dass sich eine angenehme Ruhe verbreitet.

Leider stellt sich bei mir keine meditative Stimmung ein, im Gegenteil: mir kommt plötzlich der Gedanke, es könnte jetzt doch eine elektrische Miniatur-Eisenbahn durch diesen Garten fahren, an den Bonsaibäumen vorbei und über die sandige Ebene, vollkommen den Größenverhältnissen dieser Anlage angepasst.

Das ist natürlich nicht das, was ein Meister des Zen gerne in den Köpfen seiner Schüler sehen möchte, aber der Gedanke setzt sich bei mir fest. 

Zum Tee gibt es wunderbares Reisgebäck. Es hat einen kleinen störenden Nebeneffekt: Wenn man ein Stück davon abbeißt, knirscht es im Mund so laut, als ob nebenan auf der Dorfstraße ein Lastwagen vorbeifahren würde. Natürlich höre nur ich dieses Geräusch, aber ich würde doch gerne wissen, wie ein Japaner die Störung durch diesen Krach vermeidet. Tunkt er das Gebäck in seinem Tee und weicht es auf? Wohl kaum! Vielleicht ist das zum Tee gereichte Gebäck ein Zugeständnis an den europäischen Geschmack, der zum Kaffee immerzu mindestens ein Plätzchen haben will. (Christiane sagt später, das Geräusch würde durch mein Hörgerät so laut verstärkt.)

Mit der Eisenbahn im Kopf und der Erinnerung an die krachenden Reisplätzchen gehen wir am Ende feierlich an den Bonsai-Bäumchen vorbei zu unserem geparkten Auto zurück. Es ist schön, dass der sandige Boden von Brandenburg auch solchen beschaulichen Flecken ein Dasein ermöglicht.


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