Freitag, 12. November 2021

Ein Traum

Vor ein paar Tagen träumte ich, dass ich am Abhang eines Hügels saß und hinunter ins Tal  blickte, über dem bereits die Nacht hereingebrochen war. Am Rande der Talsohle, nicht weit von mir entfernt, flackerte ein Lagerfeuer, eingefasst in einen Kranz von Steinen, an dem ein paar Menschen saßen. Einer von ihnen war Jesus, die anderen offenbar seine Jünger. Sie waren in einem Gespräch, in dem Jesus das Wort führte.

Ich trat näher und versuchte, Jesu Worte zu verstehen. Er predigte über das Reich Gottes, die Vergebung der Sünden und das ewige Leben. So stand es mir vor Augen. 

Es stand aber auch wohl als Wunsch in meinem Herzen. Hier muss ich sagen, dass ich diesen Traum in einer halbwachen Phase hatte, in der man Träume noch durch eigene Gedanken ein wenig lenken kann. Ich hatte zu Beginn dieser Phase begonnen, eine Wolke von sorgenvollen Gedanken durch eine Methode zu vertreiben, über die ich bei irischen Jesuiten einiges gelesen hatte. Ihre heutigen Lehren gehen auf den Ordensgründer Ignatius von Loyola zurück, und der hatte seine Schüler vor allen Dingen das eine gelehrt: sich die Person Jesu als ganz konkretes Gegenüber vorzustellen.

Mit diesem guten Rat im Kopf gelang es mir wohl, mich Jesus zu nähern und dabei seine  Predigt auch so ein wenig nach dem zu gestalten, was ich mir von ihm wünschte. In den Wochen zuvor hatte ich immer wieder Predigten über Jesus gehört, in denen er als ein Mensch geschildert wurde, der über moderne Themen wie Achtsamkeit, Bewahrung der Schöpfung und Offenheit gegenüber fremden Mitmenschen predigte. Nun saß er also zu meinem Glück vor mir am Lagerfeuer und war in seiner Predigt wieder zurück bei den ganz einfachen, grundlegenden Themen seiner irdischen Lehre.

Die Erinnerung an dieses Lagerfeuer schwang noch eine Zeit angenehm in meinen Gedanken weiter.

Als ich allerdings am nächsten Tag in einer ähnlichen Halbschlaf-Situation versuchte, erneut das Lagerfeuer und Jesus aufzusuchen, fand ich den Steinring und die Asche, aber kein Feuer und keine Menschen mehr.

Jesus war weitergezogen.

Freitag, 27. August 2021

Urlaubsfreuden: Besuch im Bonsai-Garten

In dem kleinen Dorf Ferch am südlichen Ende des großen Schwielowsees gibt es einen japanischen Bonsai-Garten, den wir gestern besucht haben. Der Weg in das Innere des Gartens geht vorbei an einer großen Zahl von kleinen, in Töpfe gepflanzten Bonsai-Bäumen, meist kaum mehr als zwei Handspannen groß. Die zarten Spitzen ihrer Triebe wirken als feste Zweige, die Zweige wirken als Äste und der mittlere Ast bildet den Stamm.

Unendlich viel Arbeit steckt in der Anpflanzung und Aufzucht dieser Gewächse. Und erst in der Zukunft, wenn man die teuren Bäumchen mit nach Hause nimmt und in ihrer Form erhält! 

Der Schriftsteller V.S.Naipaul hatte seinen Garten in Wiltshire so angelegt, dass man möglichst wenig von den Mühen einer jahrelangen Bearbeitung sehen musste. Er mochte deshalb keinen Rasen und hat ihm nur eine kleine Fläche zugeteilt. Naipaul hätte sich hier angesichts der aufwendig gepflegten Bonsai-Bäume vermutlich eher quälen müssen. 

Donnerstag, 26. August 2021

Preußen im Rückblick

Während ich meine kleine Serie „Neun Könige und zehn Schlösser" hier im Urlaub an der Havel geschrieben habe, lag immer das Buch „Fragen an Preußen“ des Historikers Rudolf von Thadden (1932 - 2015) auf meinem Tisch.

Ich habe aus dem Buch einen roten Faden gewonnen, der dem eine Grundordnung gegeben hat, was ich über Preußen gelesen oder bei den Besuchen hier im Lande selbst in Erfahrung gebracht habe.

Für den in Pommern geborenen von Thadden war Preußen ein Kunstgebilde, dem es an historischer Fundierung fehlte. Es war im Kreis der alten europäischen Mächte ein Emporkömmling, was gleichzeitig seine Schwäche und seine Stärke war.

Mittwoch, 25. August 2021

Neun Könige und zehn Schlösser (X)

Von neun Königen habe ich erzählt, am Ende kommt nun das versprochene zehnte Schloss. Es wurde 1915 im Auftrag von Wilhelm II.  errichtet und sollte seinem Nachfolger Wilhelm III. und dessen Frau Cecilie als Residenz dienen. Nach dem Namen der Frau wurde es Cecilienhof genannt.

Mit dem Ende der Regierung Wilhelms II. musste auch sein Sohn abdanken und auf seine Kronprinzenwürde verzichten. Nach einigem hin und her führte er seine Heerestruppe nicht wie anfangs von ihm beabsichtigt von der Front zurück nach Berlin, sondern entschloss sich nach längeren Beratungen, seinem Vater ins holländische Exil zu folgen. Von dort kehrte er 1923 nach Deutschland zurück und versuchte, sich auf vielfältige Weise in der Politik der Weimarer Republik zu betätigen.

Dienstag, 24. August 2021

Neun Könige und zehn Schlösser (IX)

Was kann man über den letzten preußischen König Gutes sagen? Die meisten werden sagen: nichts – und dem möchte ich nicht widersprechen.

Wilhelm hat mit seiner großspurigen Art fast wie eine Karikatur alles das auf den Punkt gebracht, was wir moderne Menschen an Königen verachten. Er hat es uns leicht gemacht, auf die Monarchie zu verzichten.

Und doch – er hat irgendwie eine Lücke hinterlassen. Winston Churchill hat in seinem Buch über die Geschichte des Zweiten Weltkrieges es als grundsätzlichen Mangel der Weimarer Republik angesehen, dass ihr mit dem König und Kaiser eine gesellschaftliche Mitte fehlte. Dies ließ ein Vakuum entstehen, in dem sich recht bald allerhand radikale Kräfte ansammelten.

Montag, 23. August 2021

Neun Könige und zehn Schlösser (VIII)

Der unglückliche Friedrich kam 1888 auf den Thron, nachdem sein Vater mit fast 91 Jahren gestorben war. Er hatte entsprechend lange auf die Thronfolge warten müssen und war nun außerdem noch seit etwa einem Jahr unheilbar an Kehlkopfkrebs erkrankt, in dessen Folge er nach mehreren Operationen seine Stimme verloren hatte. Seine Regierungszeit dauerte von März bis Juni, dann starb auch er, zu einem stummen Schattendasein verurteilt, in dem er ein paar Orden verteilte, nachgeordnete Personalentscheidungen traf und all das liegen lassen musste, auf das er sich ein Leben lang vorbereitet hatte.

Die Liberalen im Lande hatten schon seit vielen Jahren große Hoffnungen auf ihn gesetzt, und er hatte sie in gewisser Weise auch erfüllt, indem er sich als ein tatkräftiger Kriegsherr erwies, der in den Schlachten seines Vaters große Truppenteile erfolgreich ins Feld führte und außerdem der konservativen Regierung Bismarcks immer wieder kleine Nadelstiche versetzte.

Sonntag, 22. August 2021

Neun Könige und zehn Schlösser (VII)

Als der erste Wilhelm im Jahre 1861 den Thron bestieg, war er mit 64 Jahren fast 20 Jahre älter als der älteste unter seinen sechs Vorfahren bei der Thronfolge. Entsprechend gingen die allgemeinen  Erwartungen dahin, dass er nur ein Übergangskönig sein würde – niemand von seinen Vorfahren war älter geworden als 74, die meisten waren in ihren Fünfzigern gestorben. Das Foto zeigt ihn 1867, da war er 70.

Mit der Erwartung einer nur kurzen Regierungszeit verband sich die Hoffnung auf seinen damals 30 Jahre alten Sohn Friedrich, der durch seine Kontakte zur englischen Königsfamilie (er hatte die älteste Tochter der Königin Victoria geheiratet) ein Bild von einer parlamentarischen Monarchie hatte, das in Preußen als „liberal“ verschrien war.

Samstag, 21. August 2021

Neun Könige und zehn Schlösser (VI)

Mit dem vierten und letzten Friedrich Wilhelm zieht die Fotografie in Preußen ein – und damit auch eine gewisse Hässlichkeit. So empfinde ich jedenfalls die Portraits dieses „Romantikers auf dem Thron“.

Er muss ein kluger Mann gewesen sein, der sich auf Gespräche mit den Geistesgrößen seiner Zeit - etwa den beiden Humboldts - einlassen konnte. Seinen architektonischen Ehrgeiz, an italienischen Vorbildern orientiert, nachdem er das Land länger bereist hatte, ließ er von dem Architekten Schinkel verfeinern, dem er Vorentwürfe lieferte, die oft schon sehr detailliert ausgearbeitet waren.

Vor wenigen Jahren ist eine seiner architektonischen Entscheidungen noch einmal Gegenstand einer grundsätzlichen Diskussion geworden. Er hatte für das Berliner Stadtschloss eine Kuppel entworfen, die ihm Schinkel dann gebaut hatte. Rund um die Kuppel hat er in goldenen Lettern zwei Bibelworte anbringen lassen, die im Nachhinein als Verurteilung der unbotmäßigen Volksaufstände von 1848 verstanden werden können.

Freitag, 20. August 2021

Neun Könige und zehn Schlösser (V)

Auf den zweiten Friedrich Wilhelm folgte der dritte, ein etwas hölzern wirkender, um Worte verlegener Mann, der von der Mätressenwirtschaft seines Vaters abgestoßen war und wieder in eine ganz andere Richtung gehen wollte.

Dabei kam ihm zugute, dass er in der mecklenburgischen Prinzessin Luise eine bezaubernd schöne Frau fand, deren Marmorportraits heute noch einen starken sinnlichen Reiz auf den Betrachter ausüben. Luise war schon als junges Mädchen zusammen mit ihrer Schwester Friederike vom Bildhauer Schadow in einer attraktiven Prinzessinengruppe abgebildet worden, deren leichte Kleider die körperlichen Reize der Mädchen auf eine für die damalige Zeit sicherlich fast anstößige Weise zeigten. Friedrich Wilhelm hat diese Figuren nicht geliebt und sie von seinem Hof verbannt.

Die Prachtentfaltung des Vaters hat er gemieden, auch das höfische Leben in Potsdam und Berlin. Sein Schloss in Paretz, weit draußen auf dem Lande, ist mir Abstand das bescheidenste und schmuckloseste aller preußischen Schlösser.

Donnerstag, 19. August 2021

Neun Könige und zehn Schlösser (IV)

Mit dem zweiten Friedrich Wilhelm kommt wieder ein Lebemann und Verschwender auf den Thron. So will es jedenfalls die Legende und auch der Berliner Volksmund, der ihn schon zu Lebzeiten den „dicken Lüderjahn“ genannt hat.

Man hat dieses Urteil an seinen zahlreichen Mätressen fest gemacht, von denen er zwei sogar in einer sogenannten „morganatischen Ehe“ geheiratet hat, was eine legale Vielweiberei ermöglichen sollte. 

Vielleicht ist es aber besser, hier nicht so schnell zu urteilen, weil sich Friedrich Wilhelms Leben in Zeiten großer  revolutionärer Veränderungen abspielte und sicherlich vom „Sturm und Drang“, den in Weimar Goethe und Schiller entfachten, nicht unberührt blieb. Das war ein anderer Wind als der von Potsdam, wo Friedrich II. seinen Neffen schon mit vier Jahren ins Schloss holte, um ihn für das Königtum, das er von seinem kinderlosen Onkel erben sollte, rechtzeitig vorzubereiten.

Mittwoch, 18. August 2021

Neun Könige und zehn Schlösser (III)

Der zweite preußische König, der „Soldatenkönig“ hat Soldaten geliebt und hat besonders die "langen Kerls" fast wie Sammlerstücke behandelt. Aber er ist nur ein einziges Mal mit ihnen in den Krieg gezogen. Sein Sohn dagegen, der zweite Friedrich, hat die Philosophie und das Flötenspiel geliebt, hat dabei aber eine ganze Reihe von Kriegen geführt, darunter den zur Eroberung von Schlesien. 

In meiner Heimatstadt hängt ein Bild von ihm in der Gaststätte „König von Preußen“, in dem er den Betrachter seitlich über die linke Schulter anschaut: das linke Auge weit aufgerissen, das rechte dagegen eher klein.

Mein Vater konnte die Leute auf gleiche Weise ansehen – ein Auge größer als das andere – und er hat mir einmal gesagt, dieser Blick sei in Hitlers Wehrmacht von vielen Leuten genutzt worden, um Eindruck zu machen. Mein Vater hatte den Blick offenbar selbst auch geübt. Im Internet habe ich ihn leider nicht gefunden - wenn überhaupt, dann bei Hans Albers. Aber ich denke, man kennt ihn.

Dienstag, 17. August 2021

Neun Könige und zehn Schlösser (II)

Auf den ersten Friedrich folgte der erste Friedrich Wilhelm, der „Soldatenkönig“.

Er hat sich tief in Seele und Gemüt der Deutschen eingegraben, nachdem er sich als einer der grausamsten Väter der Weltgeschichte erwies und den besten Freund seines 18jährigen Sohnes vor dessen Augen enthaupten ließ. Die beiden wollten nach Frankreich verschwinden, der König hat sie als desertierende Soldaten verurteilen lassen.

Das war im Jahre 1730. Theodor Fontane hat 130 Jahre nach dieser Hinrichtung in der Grabkammer der Familie Katte gestanden und hat dort im offenen Sarg den sauber vom Rumpf getrennten Kopf des armen Hans Hermann von Katte gesehen.

Der von seinem Vater so gequälte Sohn, der zweite Friedrich, später „der Große“ genannt, hat eigenartigerweise den Großvater offen wegen dessen Verschwendungssucht kritisiert und den Vater offenbar zumindest dafür verehrt, dass der Soldatenkönig ihm, dem König vieler Schlachten, eine funktionierende Armee hinterlassen hat. Der Soldatenkönig selbst hat nur einen einzigen Krieg geführt und dabei Stettin gewonnen. Er hat Soldaten eigentlich nur gesammelt, am liebsten die "Langen Kerls", das genügte ihm.

Montag, 16. August 2021

Neun Könige und zehn Schlösser (I)

Schloss Charlottenburg
Der erste in der Reihe der preußischen Könige hieß Friedrich. Seine Nachfolger hießen alle ebenfalls entweder Friedrich oder Friedrich Wilhelm. Das änderte sich erst, als der vierte Friedrich Wilhelm kinderlos starb und von seinem Bruder beerbt wurde. Der hieß ausnahmsweise Wilhelm, nannte seinen Sohn aber wiederum Friedrich, und dieser gab am Ende dem letzten in der Reihe der neun Könige noch einmal den Namen Wilhelm. Insgesamt gab es vier Friedrich Wilhelms, drei Friedrichs und zwei Wilhelms.

Die letzten drei preußischen Könige waren gleichzeitig auch deutsche Kaiser, aber wenn man sie gefragt hätte, was ihnen wichtiger war, König oder Kaiser zu sein, hätten sie wahrscheinlich König gesagt.

Sonntag, 15. August 2021

Neun Könige und zehn Schlösser (Übersicht)

Kirche in Werder
In unserem Urlaub in Werder an der Havel können wir unsere Touren so einrichten, dass wir von jedem der neun preußischen Könige zumindest eine Erinnerung finden. Am einfachsten ist das natürlich, wenn man das Schloss besucht, in dem der jeweilige König gewohnt hat. Das haben wir in den letzten Urlauben hier gemacht und wollen es weiter versuchen.

Vorab eine Übersicht: die neun preußischen Könige haben von 1701 bis 1918 regiert, die letzten drei gleichzeitig auch als deutsche Kaiser. Sie haben Schlösser gebaut, von denen ich erzählen will. Ein berühmtes Schloss gehört als zehntes ebenfalls in diese Ahnenreihe: Cecilienhof, Ort der Potsdamer Konferenz 1945. Es wurde für den Sohn des letzten Königs und dessen Frau Cecilie gebaut, aber nie von einem König bewohnt.

Die neun Könige haben ihren Thron in der Regel an ihren ältesten Sohn vererbt, zwei der neun verstarben kinderlos, wodurch ihr Bruder oder ihr Neffe König wurde. Alle Könige waren wenigstens zehn Jahre im Amt, Friedrich II. (der Große) sogar 46 Jahre. Die Ausnahme bildet Friedrich III, der 1888 im Jahr seiner Krönung an Krebs starb. 

Donnerstag, 5. August 2021

72 Jahre, 6 Monate und 25 Tage

Mein heutiges Alter entspricht auf den Tag genau dem Alter meines Großvaters Adolf Runkel, als dieser am 22. Oktober 1961 verstarb. Ich habe über seinen eigenartigen Tod berichtet - er starb bei der Einweihung einer kleinen Kirche, die er als Bauunternehmer errichtet hatte. Das nebenstehende Foto zeigt ihn wenige Minuten vor seinem Tod.

Später habe ich noch einen Blog-Bericht hinzugefügt, in dem man seine letzte Rede, die er bei der Schlüsselübergabe hielt, hören kann. 

Der mütterliche Großvater Erwin Bohle starb kurz vor seinem 60. Geburtstag. Auch an den Tag, an dem ich so alt war wie er damals, habe ich im Jahr 2008 im Blog erinnert.




Donnerstag, 24. Juni 2021

Unter Frommen

 

Leseprobe aus meinem Buch "Unter Menschen".

Ich bin vom ersten Tag meines Lebens an für ein Leben in einer strengen, wenn auch nicht immer in letzter Konsequenz zu lebenden Frömmigkeit erzogen worden. Es wurden mir, das machte die Sache einfach, nicht viele Alternativen dazu angeboten. Alle Menschen in meinem frühen Gesichtsfeld waren im weiten Sinn fromm. Das betraf zumindest den engeren Kreis der Familie ein. Unter den Eltern und Großeltern und aus meiner kindlichen Perspektive gesehen wohl auch unter den Onkeln und Tanten gab es niemanden, der sein Leben so führte, dass es dabei auf die Existenz Gottes nicht angekommen wäre.  Alles, was diese mir nahen Menschen zu den tieferen Fragen des Lebens zu sagen hatten, schloss ganz selbstverständlich das Vorhandensein Gottes ein, daran war kein Zweifel.

Sonntag, 13. Juni 2021

Ein Goldstück

 


Jeremia
Nachdem ich mich beim Durchlesen der gesamten Bibel durch das Buch Jeremia gearbeitet hatte, erwartete ich angesichts des Titels „Klagelieder“ im nächsten Buch eine Fortsetzung, ja Steigerung der düsteren Prophetenworte. 

Aber ich fand ein Goldstück. Zwar musste ich mich zunächst noch einmal mit der finsteren Wirklichkeit eines unsäglich gestraften Volkes unter der Geißel fremder Völker beschäftigen. Die ersten zwei Kapitel der Klagelieder steigern hier sogar noch einmal die Schilderung der Strafen, indem sie eine Art von epischem Gedicht einfügen: 22 Gruppen von je drei Versen, jeweils mit einem der 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets beginnend. 

Dienstag, 20. April 2021

Shtisel

Die Netflix-Serie hat manche frommen Christen und frommen Muslime an ihre eigene Jugend erinnert. Der eine oder andere ist mit ähnlich strengen Auflagen, was das äußere Erscheinungsbild betraf, aufgewachsen wie die frommen Orthodoxen der Serie..

"Shtisel" spielt im Milieu der "Haredim", die ihr Leben nach frommen Vorschriften führen und aussehen und auftreten, als wäre Ihnen eine höhere Macht jederzeit präsent. Die Männer sind an ihren Bärten, Schläfenlocken und steifen Hüten zu erkennen. Die Frauen hüllen ihre Körper ganz ähnlich wie die Muslime in weite Gewänder und verstecken ihr natürliches Haar. Während die Muslime hierfür ein Kopftuch benutzen, setzen die Orthodoxen eine Perücke auf oder tragen eine Art von weiter Baskenmütze.

Freitag, 2. April 2021

Nachtgedanken

Bei dem Schriftsteller Walter Kempowski fand ich die witzige Bemerkung, dass er zwar an Gott glaube, „aber nicht den ganzen Tag“. Sein schreibender Kollege John Updike hat die Idee vom sich verändernden Glauben etwas ausführlicher dargelegt. Für ihn ist der Glaube an den Bereich des hellen Tages gebunden, an den Lebensoptimismus und die Freude am Schreiben. Das alles verliert sich im Dunkel der Nacht.

Samstag, 13. März 2021

Jerusalem, April 33


45 Minuten Vorlesen: ein Bericht über die letzten Tage vor der Kreuzigung Jesu. Ich habe ihn vor über 20 Jahren als Buch herausgebracht und lese am Dienstag, 16. März ab 21 Uhr über ZOOM daraus vor. Die Einwahl teile ich per PN mit.



Samstag, 6. März 2021

Einmal durch die ganze Bibel

Als ich noch jünger war, gehörte es in frommen Kreisen fast zur Pflicht, wenigstens einmal im Leben die ganze Bibel von vorne  bis hinten gelesen zu haben. Ich habe mich damals davor gedrückt und habe mich stattdessen an Lesepläne gehalten, die einem die Bibel in Stücken, wenn auch nicht geordnet, näher brachten. Gelesen habe ich sie immer, aber eben nie von vorne bis hinten.

Das habe ich vor etwa einem Jahr geändert und habe das Abenteuer begonnen, fortlaufend jeden Morgen einen Bibelabschnitt zu lesen, meist ein oder zwei Kapitel oder zwei bis drei Seiten. Mittlerweile habe ich das Buch Hiob (vor dem ich mich gefürchtet habe, grundlos, wie ich beim Lesen merkte) beendet und lese die Psalmen. Nachdem ich als erstes das mir im Verständnis leichter erscheinende Neue Testament abgeschlossen hatte, liegen jetzt im wesentlichen nur noch die Sprüche und die Propheten vor mir. Dann bin ich durch.  

Samstag, 9. Januar 2021

… die mir heute zum Geburtstag gratuliert haben


Ein Gedicht über „Das Alter“

 

Hoch mit den Wolken geht der Vögel Reise,

Die Erde schläfert, kaum noch Astern prangen,

Verstummt die Lieder, die so fröhlich klangen,

Und trüber Winter deckt die weiten Kreise.

 

Die Wanduhr tickt, im Zimmer singet leise

Waldvöglein noch, so du im Herbst gefangen.

Ein Bilderbuch scheint alles, was vergangen,

Du blätterst drin, geschützt vor Sturm und Eise.

 

So mild ist oft das Alter mir erschienen:

Wart nur, bald taut es von den Dächern wieder

Und über Nacht hat sich die Luft gewendet.

 

Ans Fenster klopft ein Bot' mit frohen Mienen,

Du trittst erstaunt heraus – und kehrst nicht wieder,

Denn endlich kommt der Lenz, der nimmer endet.

 

„Das Alter“, Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)