Montag, 31. Dezember 2012

Eine alte Geschichte, neu geschrieben



Seitdem Yizhak Magen vor etwa 25 Jahren den großen Tempel bei Nablus, dem alten Sichem, ausgegraben hat (sein Buch dazu ist bei Google books zu finden), wird die Geschichte Samarias neu geschrieben. Und nicht nur sie – radikale Kritiker der jüdischen Geschichtsschreibung, die der „Spiegel“ zu Wort kommen lässt (in der Ausgabe 15/2012) möchten gleich eine komplette Gegengeschichte der Israeliten schreiben, in welcher überhaupt nur noch der Tempel bei Sichem / Nablus, auf dem Berg Garizim, existiert, und der Tempel in Jerusalem dagegen reine Fiktion ist, mitsamt den Königen David und Salomo. Alles soll Sage sein.



Freitag, 28. Dezember 2012

Neues aus Samaria


Es kommen neue Stimmen aus dem alten Land Samaria, das vor Zeiten einmal das Durchgangsland für Maria und Joseph auf dem Weg von Nazareth nach Bethlehem war und in gleicher Weise später dann auch für Jesus, auf dem Weg von der Idylle des Sees Genezareth hinauf an das grausame Kreuz in Jerusalem. Heute ist das frühere Samaria der große nördliche Teil des am 29. November 2012 von der UNO als non member observer state anerkannten Palästina. Seine Regierung hat ihren Sitz in Ramallah, dem alten Rama, unweit von Jerusalem und Bethlehem. Mich zieht es in dieses Land, seitdem ich vor einem Jahr einen Zipfel davon gesehen habe, nämlich Jenin im Norden und außerdem die Stadt von Mohammad A., Silat al-Dahr, die von Jenin aus auf halben Weg in das alte Sichem liegt. Sichem wurde zu Zeiten der Römer zu Neapolis, das ist auch der heutiger Name des Ortes, Nablus auf Arabisch.



Sonntag, 11. November 2012

Das Obama-Modell

Barack Obama kann auf eine besondere Art und Weise Grenzen überschreiten. Wer seine Bücher gelesen hat, weiß, dass er das lange vor seinem Eintritt in die Politik gelernt haben muss. Er hat auf dem Schoß seiner weißen Großmutter gesessen und ihr halb rassistisches Geschimpfe über die Schwarzen gehört und dann wenig später das Geschimpfe der Schwarzen mitbekommen, die sich über die mangelnden Chancen beschwerten, die ihnen die weiße Mehrheitsgesellschaft anbot. Obama kennt in vielen Konflikten beide Parteien und kann ihre Motive von innen heraus beschreiben. Wenn es nach seiner Vorstellung ginge, dann würden in der Politik große Kompromisse unter der sanften Regie solcher Personen zustande kommen, die wie er das Räderwerk der unterschiedlichen Interessen intuitiv verstehen und deshalb in eine mittlere, ausgleichende Richtung lenken können.




Freitag, 2. November 2012

Der Paul-Theroux-Effekt

Paul Theroux
 
In den Überlegungen, ob die neuen Medien das Lernverhalten der heutigen Jugend negativ beeinflussen, kommt nach meinem Eindruck ein Effekt zu kurz, den der US-amerikanische Autor Paul Theroux einmal wie folgt beschrieben hat. Theroux war als junger Mann bei einem Uganda-Aufenthalt dem späteren Literaturnobelpreisträber V.S.Naipaul begegnet und hatte auf seinen Rat hin angefangen, ein Tagebuch zu führen, um auf diesem Weg ein echter Autor zu werden. Dieses Tagebuch hat Theroux später, als er selbst ein bekannter Schriftsteller geworden war, noch einmal hervorgeholt und ausgewertet, um ein Buch über Naipaul zu schreiben. Er hat beim Schreiben verwundert bemerkt, dass er weite Teile seines Buches aus der lebendigen und intakten Erinnerung an seine Kontakte  mit Naipaul schreiben konnte, dass er aber die Teile, für die er sich auf das Tagebuch stützen konnte, allesamt vollkommen vergessen hatte.



Montag, 29. Oktober 2012

Von der Seligkeit der Quinten und (später) auch der Terzen


Jeder, der einmal ein paar Akkorde herauszufinden versucht hat, um auf dem Klavier ein einfaches Lied begleiten zu können, ist auf die Akkordfolge C – F – G gestoßen, mit der man die meisten Lieder harmonisch unterlegen kann, wenn sie nicht allzu kompliziert gemacht sind. Diese Folge lebt von dem Fünftonschritt von  G-Dur hinunter nach C-Dur und zurück, einer Quinte also, die eine Bewegung dem Ein- und Ausatmen vergleichbar erzeugt. Dabei atmet  der G-Dreiklang ein, baut eine Spannung auf und leitet sie hinüber in die Auflösung im C-Dreiklang, dem Ausatmen. Auch das F-Dur macht von C-Dur aus gesehen einen Fünftonschritt, allerdings in umgekehrter Richtung, von F hinauf nach C.

Samstag, 27. Oktober 2012

Facebook ist eine Suchmaschine!



 
Dass Facebook eine Suchmaschine ist, habe ich bereits vor längerer Zeit in einem Artikel im Internet gelesen. Mir war der Grundgedanke sogleich sympathisch: wir lösen das Problem, uns aus dem gewaltigen Strom an Informationen täglich das Wichtigste herausfischen zu müssen, indem wir uns das ansehen, was unsere Freunde bereits herausgefischt haben. So wird Facebook wie Google zu einer Suchmaschine, die sich von Google nur dadurch unterscheidet, dass nicht wir, sondern unsere Freunde den Suchfilter bestimmen.

Ich habe danach dann Facebook auch mit dieser Zielsetzung gebraucht und bin immer wieder mit der Erwartung auf meine Facebook-Seiten gegangen, dass mir meine vielen Freunde dort Dinge berichten, die mich weiterbringen. Rückblickend ist dies auch vielfach gelungen, das Ergebnis könnte aber besser sein.


Mittwoch, 17. Oktober 2012

Kaukasier


Imam Schamil
In den USA heißen die Schwarzen bekanntlich African Americans, das ist die politisch korrekte Bezeichnung, wie allgemein bekannt ist. Weniger bekannt ist, dass die Weißen europäischen Ursprungs Caucasian Americans genannt werden, für uns hier vielleicht ein etwas verwirrender Gedanke, denn wir leiten unsere Herkunft aus allen möglichen Gegenden ab, nur nicht aus dem Kaukasus.
Vielleicht ist das falsch, vielleicht ist es sogar ein wenig verlockend, unsere genetische Heimat in diesem gebirgigen Reich ganz am Rande Europas, mit seiner Vielzahl an Völkern und Stämmen zu suchen.  Ich fand eine wichtige Spur dorthin jetzt, ein paar Tage nach meiner Reise in die Türkei, und zwar nach langer und eher planloser Suche.



Dienstag, 16. Oktober 2012

Ich, der Türke

Remscheid, 16. Oktober 2012
 
Beim Bummeln durch türkische Städte versuche ich je länger, desto mehr mich den Einheimischen anzugleichen und mich nicht mehr so deutsch zu geben wie früher einmal. Das erscheint mir besonders deshalb relativ einfach zu sein, weil meine fast vollkommen ergrauten Haare ja auch einem ehemals schwarzhaarigen Menschen gehört haben könnten und weil ein kleiner dunkler Rucksack wie meiner, in dem ich alle meine Sachen, auch die Kamera, verstaue, hier auch von vielen anderen Leuten, besonders den jungen, getragen wird. Wie ein Chamäleon vermeide ich es beim schlendernden Gang durch die Städte, als ein gewöhnlicher Tourist staunend vor den obligatorischen Sehenswürdigkeiten zu stehen und nach oben zu blicken, flaniere statt dessen lieber am Zeitungsstand vorbei und prüfe die Überschriften (obwohl ich sie nach wie vor kaum übersetzen kann), schwätze ein paar Worte mit dem Verkäufer für Sesamkringel und setze mich wortlos zu den alten Männern ins Teehaus.

Montag, 15. Oktober 2012

Stadt und Land


Terziali. 14. Oktober 2012
Riza und ich
In Schwiegervater Rizas Gesprächen kommen die Worte "Stadt" und "Land" selten vor. Anders als bei deutschen Bauern, bei denen ich oft das Gefühl hatte, sie würden in mir, dem Städter eine besondere Kategorie von Menschen sehen und deshalb genau beobachten, wie ich ins Brot beiße oder mir die Schuhe zubinde, scheint Riza der Unterschied zwischen den beiden Lebensformen vollkommen gleichgültig zu sein. Natürlich kennt er sie, seine acht Kinder wohnen alle nicht mehr im Dorf, sondern in der nahen Kleinstadt Çayağsı oder in der 100.000-Einwohner-Stadt Kırşehir, andere wohnen noch in Ankara, Izmir, Holland oder Deutschland. Er besucht sie manchmal, hat das eine oder andere am Leben dort auszusetzen, erkennt aber ihre Lebensformen an und macht seinem Schwiegersohn Necattin auf ungewöhnlich weitsichtige Art klar, warum dieser in Deutschland mehr gebraucht wird als in der Türkei und warum er deshalb die speziellen Herausforderungen seiner neuen Heimat mutig und mit der Hilfe guter Freunde annehmen soll.


Samstag, 13. Oktober 2012

Ein kleines Dorf mit einer Moschee


Kırşehir, 13. Oktober 2012

In dem Dorf Terziali in den Baran-Bergen oberhalb von Kırşehir gibt es weder Handyempfang noch Internet. Ich kann der Welt nichts mitteilen, bekomme aber über den Fernseher im Wohnzimmer beständig Nachrichten zugesandt, das ist eine einseitige Sache! Aber ich bin ja wegen der Natur hier, der weiten Räume und der frischen Luft, der guten Dinge auf dem Tisch und vor allem wegen der freundlichen Menschen aus Necattins Familie.



Donnerstag, 11. Oktober 2012

Ein Haus für Necattin Baba

 
Izmir, 10. Oktober 2012

Mein Freund Necattin wird im Kreis seiner Familie Necdet gerufen. Das macht es einfacher, ihn von seinem Vater zu unterscheiden, der genauso heißt und der sich hier in Izmir ein großes Haus gebaut hat, mit schönem Blick hinunter auf die tief ins Land reichende blaue Ägäis-Bucht, an deren östlichem Ende Izmir liegt. Kreuzfahrtschiffe fahren in den Hafen und liegen dort am Pier, Fähren verbinden die Stadtviertel südlich und nördlich der Fjord-ähnlichen Bucht. Es gibt immer etwas zu sehen, und am Abend leuchten die Lichter der Vier-Millionen-Stadt zu Necattin Babas Haus herauf. Man kann sich stundenlang auf der Dachterrasse aufhalten, so wie ich gerade, und den milden Wind vom Meer und die Aussicht genießen.




Mittwoch, 10. Oktober 2012

Der Baumeister


Istanbul, 9. September 2012


Prinz-Mehmet-Moschee

In der Prinz-Mehmet-Moschee, die Süleyman der Prächtige für seinen mit 22 Jahren verstorbenen Sohn bauen ließ, hat der berühmteste Architekt der Türkei, der Baumeister (Mimar) Sinan ein Prinzip angewandt, das ich heute für mich selbst entdeckt habe. Ich habe bisher noch keinen Hinweis darauf in einem Reiseführer gefunden, aber ich glaube, dass ich etwas Richtiges gesehen habe: Sinan lässt Säulen verschwinden.

Montag, 8. Oktober 2012

Alt und neu

Istanbul, 8. Oktober 2012
Heute bin ich erstmals in einem modernen türkischen Einkaufszentrum gewesen. Es war das Sapphire, das die unteren drei Geschosse des derzeit höchsten Wolkenkratzers in Istanbul einnimmt. Mich hat das Zentrum eigentlich weniger interessiert, es enthält Läden wie man sie auch in den entsprechenden Zentren von Düsseldorf, Hamburg oder Berlin oder sonstwo in der Welt findet. Aber ich war froh, einmal der touristischen Scheinwelt des Großen Basars in der Altstadt entkommen zu sein, in dem ich mich immer unwohl gefühlt habe, so lange ich Istanbul kenne. Er gehört zum touristischen Muss, dem sich auch meine Reisegruppe nicht entziehen wollte, aber ich glaube nicht, dass es vernünftige Einheimische gibt, die sich aus den Vororten auf den Weg machen, um dieses von der Zeit überholte Ungetüm zu besuchen, das auf die uralte Weise Waren und Käufer einander vermittelt.

Sonntag, 7. Oktober 2012

Ehrfurcht vor dem Bau der Heiligen Weisheit


Istanbul, 6. Oktober 2012
Die Hagia Sophia ist das älteste, noch vollkommen erhaltene und funktionsfähige Gebäude, das ich kenne. Würden man die 2.000 Jahre unserer Zeitrechnung als einen tiefen Schacht ansehen, in den ein Aufzug hinunter fährt, so käme man bei einem Viertel der Fahrt bei Martin Luther an, nach vier Zehnteln der Fahrstrecke beim Kölner Dom und müsste fast noch einmal die gleiche Strecke fahren, um bei der Hagia Sophia zu landen, die im Jahr 532 begonnen wurde.



Freitag, 5. Oktober 2012

Eroberungen und ihre Folgen

Remscheid, 5. Oktober 2012
Von unserem Hotel "Pierre Loti" am westlichen Ende des Goldenen Horns* werden wir morgen früh einen weiten Blick auf das Schlachtfeld des Krieges haben, der für viele Historiker die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit markiert hat: der Feldzug zur Eroberung von Konstantinopel. Er wurde am 29. Mai 1453 mit der Einnahme der Stadt durch den osmanischen Sultan Mehmet II. beendet. Der Eroberer hat man ihn von da an genannt, Fatih auf Türkisch. Konstantinopel bestand zu der damaligen Zeit aus dem wuchtigen Dreieck der heutigen Altstadt, das von zwei Seiten nur per Schiff anzugreifen war. Lediglich die Westseite konnte man über Land erreichen und belagern.



Mittwoch, 3. Oktober 2012

Der Reiseschriftsteller


Aus einer Werbung für Tropenhelme
Immer wenn ich auf Reisen gehe, meldet sich ein kleines eisgraues Männlein bei mir und fragt mich, ob es mitfahren darf. Natürlich darf es, denn es ist mein zweites Selbst, der Reiseschriftsteller in mir. Alle meine letzten Reisen wurden durch seine Anwesenheit interessanter gemacht, das Männlein hat mich beständig daran erinnert, mir einzelne Szenen genau zu merken, mir Namen und Worte aufzuschreiben, präzise zu fotografieren und vor allen Dingen zu Hause fleißig zu recherchieren. Ich finde: das Reisen wird eigentlich erst durch die Schriftstellerei schön. Ohne sie ist es oft nicht viel mehr als ein bedrohliches Wagnis.


Montag, 1. Oktober 2012

Melancholie, französisch und türkisch


Julien Viaud
Nirgendwo sonst konnte der französische Marineoffizier Julien Viaud (1850 – 1923) seinen schwermütigen Gedanken vom Verfall und vom Ende der Dinge besser nachhängen als auf einem Hügel vor der Stadtmauer des alten Istanbul. Er war aus Frankreich mit der dunklen Melancholie des fin de siècle infiziert mit dem Schiff nach Istanbul gekommen und fand im Reich der Sultane, deren Herrschaft nach vierhundertjähriger Dauer für alle spürbar ihrem traurigen Ende entgegen ging, einen Menschenschlag, der offenbar in ähnlich gedämpften Farben empfand wie er. Viele Jahre später hat Orhan Pamuk die spezielle tristesse Istanbuls beschrieben, die hier hüzün heißt und für Pamuk auch heute noch einen Teil des Charakters der Stadt am Bosporus ausmacht.

Donnerstag, 27. September 2012

Frauen und Unheil


Auf dem Weg zur Arbeit sehe ich seit einigen Wochen regelmäßig zwei Plakate, die beide, jedes auf seine Weise, ein neues, unheilbringendes Frauenbild heraufbeschwören. Auf dem einen blickt mich eine junge Frau sehr angriffslustig an, gerade so, als hätte ich ihr Fahrrad gestohlen, sagt dabei aber überraschenderweise, dass sie mich nicht der Polizei übergeben wolle, sondern auf der Suche nach romantischer Liebe sei. Ich beziehe das nicht auf mich - ich bin schließlich 63 - aber ich fürchte um die jungen Männer, denen dieser Blick und dieser Antrag gilt.
 
 
 
 
 
 

Donnerstag, 20. September 2012

Kirchengeschichte


Folgt man der amerikanischen Anthropologin Tanya Luhrmann, so hat die Zeit der Aufklärung zu einer Aufspaltung der protestantischen Kirchen in zwei Lager geführt. Das eine Lager, das liberale, hat in vielen Punkten Kompromisse mit den Gedanken der Aufklärung gemacht, dabei aber auf breiter Front an Attraktivität und in der Folge an Mitgliedern verloren. Dem liberalen Lager war zwar zunächst ein Sieg auf der ganzen Linie vorhergesagt worden, nachdem die Überlegenheit der Wissenschaft angesichts von Eisenbahnen und Telefonen als erwiesen galt und die grausamen und unmenschlichen Seiten des Darwinismus vergessen machte. Die Gegenbewegung, die fundamentalistische, hat sich auf konservative Punkte versteift, den Darwinismus abgestritten, und hat dabei in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sichtbar den Kontakt zum gesellschaftlichen Mainstream verloren.

Sonntag, 16. September 2012

Eine Predigt


Remscheid, 16. September 2012
(in der Friedenskirche der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Schützenstr. 32)

Heute habe ich ein Bibelwort vom Erzählen mitgebracht und möchte es in den Mittelpunkt des Gottesdienstes stellen. Es ist von einer Handlung Gottes in diesem kurzen Bibelwort die Rede, aber es beginnt mit dem Erzählen.
Es ist ja unsere Lieblingsbeschäftigung, dass wir uns etwas erzählen lassen. Das reicht vom kleinen Schwätzchen über den Gartenzaun über kleine Bücher und die Fernsehfilme vor 19 Uhr bis hin zu den großen Romanen und Dramen der Weltliteratur. Ganz oben stehen für viele die Kriminalgeschichten. In denen kommt alles zusammen, was eine gute Erzählung ausmacht. Es entwickelt sich etwas, man kann es nicht sogleich verstehen, aber am Ende kommt immer die Auflösung, und man erfährt, warum alles so gekommen ist, wie es kam.

Montag, 10. September 2012

Nachsommer

Jabel und Remscheid, 10. September 2012

Der letzte Urlaubstag ist ungewöhnlich warm. Wir fahren die rund 600 km von Mecklenburg zurück nach Remscheid bei durchgängig 25 bis 28 Grad Celsius auf dem Außenthermometer unseres Autos. Auch die vorige Nacht war warm, man konnte bis spät vor dem Wohnwagen sitzen und in die Sterne sehen. Am Morgen dann ein ungewöhnliches Schauspiel: während sich über den Wäldern und dem Schilf am anderen Seeufer die ersten roten Streifen am Horizont zeigen, stehen darüber am Himmel die Venus, der Mond als schmale Sichel und Jupiter im gleichen Abstand nebeneinander, wie Perlen auf eine Kette gereiht. Und unter der Kette erhebt sich das schöne, aber immer an den Winter erinnernde Sternbild des Orion langsam über den Horizont. Bald wird es die ganze Nacht über zu sehen sein und den südlichen, dann kalten Himmel beherrschen.


Sonntag, 9. September 2012

Bei Erich


Drewitz, 9. September 2012
Im Eingang zum riesigen Jagdhaus Honeckers am Drewitzer See, das zu einem Hotel und zum Zentrum einer Bungalow- und Ferienanlage umgebaut wurde, steht eine bäuerliche Pferdekutsche mit einem Messingschild, das auf den früheren Eigentümer, den „Staatsrats Vorsitzenden“ hinweist. Schulkinder, die heute mit ihren Eltern hier Ferien machen, und im Restaurant nobel aber zu erschwinglichen Preisen zu Abend essen oder Kaffee und Kuchen auf der Terrasse über dem blauen See einnehmen, werden sich unter diesem Besitzer einen Mann vorstellen, der vor 200 Jahren hier durch die Wälder gefahren ist und auf Hirsche geschossen hat, möglicherweise mit Pfeil und Bogen. Für mich als im Gründungsjahr der DDR geborenen Westler, der die alten Kommunisten der DDR für Leute gehalten hat, die in der Küche an der bescheidenen Wachstuchtischdecke ihr schlichtes Butterbrot gegessen haben, ist Honeckers gut 35 m langer reedgedeckter Bau überraschend prächtig, auch wenn das Innere, in dem große Teile der Honecker-Einrichtung offenbar unverändert gelassen wurden, eher bieder und so langweilig wirkt, wie es in meiner Erinnerung die alte DDR überall war.  


Samstag, 8. September 2012

Wendepunkt im Wald bei Jabel


Jabel, 8. September 2012

Denkmal im Wald zwischen Jabel und Nossentin
Ein Wuppertaler Pastor hat um 1840 – ich berichtete davon – die Reformation, den Pietismus und die deutschen Befreiungskriege nach 1812 als die drei großen Errungenschaften der Deutschen bezeichnet. Das hat natürlich mein Interesse an diesen Kriegen geweckt, die ihren Höhepunkt in der für Napoleon vernichtenden  Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 hatten. Eigenartigerweise fand ich im Wald zwischen Jabel und dem Nachbardorf Nossentin eine Spur, was die Ursprünge dieser nationalen Erhebung gegen Napoleon betrifft.




Donnerstag, 6. September 2012

Nach Lodz


 

Lodz / Polen, 6. September 2012

Wer sich mit dem alten Lied im Kopf, das vom Theo handelt, der nach Lodz fährt, auf den Weg in diese Stadt macht, und holprige Straßen und klapprige Fuhrwerke erwartet, wird enttäuscht. Die etwa 350 km lange Autobahn von Frankfurt / Oder hierhin ist ein mustergültig gleichmäßiges Band, auf dem man wie im Traum daherrauscht, Tempomat auf 145 kmh eingestellt (140 ist erlaubt), vorbei an zunächst menschenleeren Waldgebieten im Osten Polens und dann später durch vereinzelt besiedeltes Land, wenn man sich Lodz nähert. So wirkt es jedenfalls, die Städte liegen nicht unmittelbar an der Autobahn.

Auf den Straßenschildern wird immer Warschau angegeben, aber auch Ternopol, noch weiter entfernt, und wie ich später nachlese bereits in der Ukraine, im alten Galizien. Diese Autobahn hat, so denkt man sich, eine schier unendliche Fortsetzung in den Straßen Zentralasiens, bis Sibirien und China kann man hier fahren, ohne eine einziges Mal das Meer zu sehen. Eine Fahrt quer durch die USA würde sehr viel schneller am Pazifik enden als eine Fahrt durch diese größte Landmasse der Welt, die hier vor einem liegt.

Dienstag, 4. September 2012

Die Insel Innisfree

William Butler Yeats (1865 - 1939)
Jabel, 4. September 2012

Yeats hat sein berühmtes Gedicht The Lake Isle Of Innisfree in jungen Jahren geschrieben, da war er 23 Jahre alt. Später hat er sich manchmal über den Vorzug geärgert, den die Menschen diesem Gedicht vor allen anderen seiner späteren Werke gegeben haben. Er hatte den See, in dem Innisfree liegt (der Lough Gill in der County Sligo im Nordwesten Irlands) zusammen mit einem Freund besucht und wurde wenig später in London durch das Geräusch eines Brunnens in einem Schaufenster an das Schlagen der Wellen auf das Ufer des Lough Gill erinnert.

Das Gedicht ist voll starker Bilder. Ein englischer Freund hatte sie mir einmal übersetzt, aber ich hatte sie teilweise wieder vergessen. Google Translator hat die Erinnerung aufgefrischt. Einiges ist fast unübersetzbar, wie das bee-loud glade, zu anderem müsste man die Tierwelt besser kennen: linnet’s wings sind die Flügel einer Finkenart, die im Deutschen "Bluthänflinge" heißt. Schwer übersetzbar ist auch peace comes dropping slow. Trotzdem vergisst man es nie wieder, wenn man es einmal gehört hat. Man träumt den Traum von einem inneren Frieden, der sich langsam, nach und nach einstellt, vielleicht in der Ruhe und Abgeschiedenheit von Tagen an einem See, vielleicht ja hier in Mecklenburg...

Hier erst das Original und dann meine Übersetzung.

The Lake Isle Of Innisfree

I WILL arise and go now, and go to Innisfree,
And a small cabin build there, of clay and wattles made:
Nine bean-rows will I have there, a hive for the honey-bee,
And live alone in the bee-loud glade.

And I shall have some peace there, for peace comes dropping slow,
Dropping from the veils of the morning to where the cricket sings;
There midnight's all a glimmer, and noon a purple glow,
And evening full of the linnet's wings.

I will arise and go now, for always night and day
I hear lake water lapping with low sounds by the shore;
While I stand on the roadway, or on the pavements grey,
I hear it in the deep heart's core.


Die Seeinsel von Innisfree

Ich werde aufstehen und jetzt gehen, und gehen nach Innisfree,
Und eine kleine Hütte dort bauen, aus Lehm und Weidengeflecht:
Neun Reihen Bohnen werde ich dort haben, einen Korb für die Honigbiene,
Und alleine leben in der Bienen-lauten Lichtung.

Und ich werde einigen Frieden dort haben, denn Frieden kommt langsam tropfend,
Tropfend von den Schleiern des Morgens bis wo die Grille singt;
Dort ist alle Mitternacht ein Schimmern, und Mittag eine Purpurglut,
Und Abend voll von den Flügeln der Finken.

Ich werde aufstehen und jetzt gehen, denn immer, Tag und Nacht
Höre ich Wellen mit leisem Geräusch an das Ufer schlagen
Während ich auf der Straße stehe, oder auf den grauen Bürgersteigen,
Ich höre es in des tiefen Herzens Innerem.

Montag, 3. September 2012

Apotheker unter Beschuss


 
Waren / Müritz, 3. September 2012

Einschussloch auf der Rückseite des Warener Rathauses
Am Rathaus von Waren wird ein badenwannengroßes Loch auf der Rückwand liebevoll offen gehalten und gepflegt. Es entstand während bürgerkriegsähnlicher Unruhen kurze Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und war Folge eines Beschusses durch antidemokratische Aufständische. Sie belagerten unter der Führung des Barons Le Fort im März 1920 die Stadt. Das Ziel der schweren Granaten, die damals eingesetzt wurden und unter der Zivilbevölkerung Tote und Verletzte forderten, war nicht das Rathaus, sondern die auf der gegenüberliegenden Seite des Rathausplatzes gelegene Löwenapotheke oder genauer deren Besitzer Hans Hennecke (1886 – 1940). Der damals 34jährige Apotheker, der gerade die Nachfolge seines Vaters angetreten hatte, war den Aufständischen verhaßt. Er war nämlich im Stadtrat und war auch im Landtag vertreten –  als Mitglied der SPD.  Auf ihn zielten, so sagt es die Tafel am Rathaus, die Granaten.

Sonntag, 2. September 2012

Ein Tag auf dem Wasser


Jabel, 2. September 2012
In dem englischen Kinderbuch Der Wind in den Weiden beschreibt die Wasserratte, die ein Boot besitzt,  dem Maulwurf, der noch nie in seinem Leben in einem Boot gefahren ist, die Schönheit einer Bootspartie. Das Leben auf dem Boot, sagt die Wasserratte, ist mit nichts zu vergleichen. Nichts scheint wirklich etwas auszumachen, das ist das Schöne am Bootsfahren. Ob du wegkommst oder nicht, ob du an deinem Bestimmungsort ankommst oder woanders, oder ob du überhaupt nirgendwo hinkommst – du hast immer etwas zu tun, und du tust nie etwas Spezielles, und wenn du es getan hast, dann ist immer noch etwas Anderes zu tun, und du kannst es tun, wie du willst, aber am besten tust du’s gar nicht*.

Samstag, 1. September 2012

Im Paradies liegend


Jabel, bei Waren / Müritz, 1. September 2012

Unser Dorf Jabel hat im Leben des Mecklenburger Mundartdichters Fritz Reuter (Ut mine Festungstid) eine wichtige Rolle gespielt. Er verbrachte hier den  Sommer und Herbst des Jahres 1841 im großen Pfarrhaus seines Onkels Ernst Reuter. Seine Festungszeit hatte er da gerade hinter sich. Sieben Jahre hatte der zunächst wegen Hochverrat zum Tode und dann zu 30 Jahren Festungshaft verurteilte jugendbewegte Turner und Burschenschaftler verbüßt und war dann vorzeitig entlassen worden. Un wat hadden wi denn dahn? hat er später gefragt, und geantwortet: Nicks, gor nicks. Jabel war als Kur gedacht für sein zu allerlei Ausschweifungen neigendes Wesen, es wurde in jedem Fall der Anfang eines Lebens auf dem Lande, das ihm gefiel. Jabel sei im Paradies liegend, schrieb er. Wenig später wurde er dann Volontär auf einem Gutshof unweit von hier und begann nach und nach seine Schriftstellerei.



Freitag, 31. August 2012

Vom Glück der Verwahrlosung


 
 
Jabel, bei Waren / Müritz,
31. August 2012


Stefan Knüppel hat mir über Facebook ein Motto zukommen lassen, nach dem Camping die Form des Reisens ist, wo man seine eigene Verwahrlosung als Glück wahrnimmt. Ich glaube, dass die Camper heimlich alle diesem Glück nachstreben. Das stimmt selbst dann, wenn Camper wie ich Wert auf die morgendliche Dusche legen und auf das frische Hemd, wenn es zum Einkaufen in die Stadt geht. Aber auch dann, wenn man nicht den Jogging-Anzug und den Drei-Tage-Bart als äußeres Zeichen der neuen Welt annimmt, zu der man als Camper gehört, ist man doch bestrebt, einen Teil der bürgerlichen Konventionen und Sicherheiten hinter sich zu lassen und einfach so zu leben, wie es uns die Natur vorgegeben hat.


Donnerstag, 30. August 2012

Sprich, Erinnerung!

Timmendorfer Strand, 29. August 2012

Es sind 56 Jahre her, seitdem ich an diesem Ort zum ersten Mal in meinem Leben das Meer gesehen habe. Heute komme ich zum ersten mal wieder an die Stelle. Meine Eltern machten damals - ebenfalls zum ersten Mal in ihrem Leben - hier Urlaub, und wir Kinder wurden mitgenommen, was nicht selbstverständlich war und im nächsten Jahr zunächst wieder abgeschafft wurde. In meiner Erinnerung gibt es das Bild eines freundlichen Sommerabends mit milder Wärme, ein großes, stilles Meer, an dessen Rand sich nur ganz kleine Wellen bewegen, ein weiter ebener Strand mit weißem Sand,  fast so fein wie Mehl. Leider sehe ich auch die erste Enttäuschung wieder vor mir, ich sehe eine dünne Wolke Seetang im Wasser, dicht hinter den kleinen Wellen und fürchte mich, einen Fuß ins Meer zu setzen und den unangenehmen Modder dabei berühren zu müssen. Mein Vater tadelt meine Empfindlichkeit in Bezug auf diese natürlichen Verunreinigungen und erzählt etwas von Quallen, die viel eher zu fürchten seien als dieses bisschen Seetang. Es gibt Eis mit dem eigentümlichen Namen Langnese, den ich vorher nie gehört habe. Es ist viereckig geschnitten, hat einen Holzstil, der auf der Zunge stumpf  wirkt, wenn man das letzte Restchen Eis abgeleckt hat (gerade als ob er hinter das Ende des Genusses noch ein Ausrufezeichen setzen wollte) und ist in silbernes Stanniol eingewickelt. Zwischen Erdbeer und Vanille kann man wählen. Auch den Preis weiß ich noch, man kann ihn sich leicht merken: 20 Pfennig. Ebenfalls leicht zu merken, sind die Preise für einen Brief und für die Bildzeitung, beides 10 Pfennig. Die Zeitungsverkäufer und ihre Rufe vergißt man nicht „Di-e BILD-Zei-tung - - ze-hn Pfen-NIG!“


Mittwoch, 29. August 2012

Thomas Manns Kirche


Lübeck, 28. August 2012



Das heute als Museum eingerichtete Buddenbrookhaus in der Lübecker Mengstr. 4 (im Foto das weiße Haus links hinter den Bäumen) war 49 Jahre lang im Besitz der Großeltern von Thomas Mann. Es gehörte Johann Sigmund Mann, der das Haus 1842 kaufte und dessen Witwe 1890 hier starb. Sein Sohn, Thomas Manns Vater und das Vorbild von Thomas Buddenbrook, leitete die Firma Mann seit 1863 aus diesem Haus heraus, wohnte aber in einer Parallelstraße, der Beckergrube. Dort wuchs der 1875 geborene Thomas Mann auf und hielt sich im Buddenbrookhaus also immer nur als Besucher seiner Großmutter auf. Nachdem sie und bald darauf auch ihr Sohn verstarb, wurde das Haus 1891 verkauft. Der übriggebliebene Rest der Familie zog in die Vorstadt und wenige Jahre später nach München.

Dienstag, 28. August 2012

Zum Thee bei K.

Travemünde, 28. August 2012



In den Tagebüchern von Thomas Mann, dessen Buddenbrook-Haus in der Lübecker Mengstraße ich heute zum ersten Mal in meinem Leben sehen werde, findet sich häufig der Eintrag "zum Thee bei K.". Thomas Mann stattete seiner Frau Katja geborene Pringsheim in seinen großen Häusern regelmäßig solche Tee-Visiten ab, von denen der ehrfurchtsvolle Leser den Eindruck gewinnt, der Dichter habe sich dazu über eine größere Distanz bewegt, in einen fremden Haushalt sozusagen. Spärlich sind die Zeugnisse, dass er es sich dort auch gemütlich gemacht hat. "Geschlechtliche Nacht" notierte er dann, was allerdings seltener eingetragen wurde als die Vermerke "zum Thee".

Montag, 27. August 2012

Über die Heide

Soltau, Lüneburger Heide, 27. August 2012

Die Heide ist keine natürlich entstandene Landschaft, das ist allgemein bekannt. Zwar gibt es im Hochgebirge und an windigen Küsten baumlose Streifen, die mit Heidekraut bewachsen sind, aber die großen deutschen Heidegebiete sind nicht Natur, sondern Folge einer ganz besonderen Landwirtschaft. Ihre Methoden sind in grauen Vorzeiten entstanden, als die Bauern versuchten, auf den kargen und sandigen Hügeln, der Geest, in der niederdeutschen Tiefebene den Boden zu verbessern. Dazu nahmen sie - Grundprinzip - die magere Humusschicht von Acker A und verstärken damit die ebenso magere Schicht von Acker B. Später verfeinerten sie - Variante 1 - die Methode, indem sie den mageren Boden von Acker B mitsamt seinen Wurzeln und Kräutern zunächst in die Viehställe transportierten und dort als Streu verwendeten. Zusammen mit den Ausscheidungen der Tiere wurde das Ganze dann als Dünger auf Acker A aufgetragen, der dadurch fruchtbarer wurde und in manchen Gegenden nach und nach um mehr als 1 m in die Höhe wuchs.






Sonntag, 26. August 2012

Vom Glück des Campers


Soltau, Lüneburger Heide, 26. August 2012 
 

„Warum macht mich der Anblick dieser Zeltstange so glücklich?“ frage ich gestern abend meine Frau, als wir nach dem Aufbau eines etwa 3 x 3 m großen Zeltstücks, dem Sonnensegel, vor dem Wohnwagen sitzen und eine brennende Kerze und ein Glas Rotwein vor uns auf dem Tisch stehen haben, die Baumgruppe aus Eichen und Kiefern vor und über uns. „Weil das hier so ist, wie zu den Zeiten, in denen wir als Kinder Buden gebaut haben“, entgegnet meine kluge Frau. Sie hat Recht – wir empfinden den Eindruck eines uns umschließenden Raums besonders stark, wenn dieser Raum gerade erst entstanden ist und wir spüren, wie unsere eigene Präsenz den neu gewonnenen Raum füllt. Ein origineller Kopf aus der alternativen Berliner Szene hat einmal geschrieben, das Wohnen sei so wichtig, dass es eigentlich „ein Geräusch machen müsste“. Hier beim Camping ist man nahe daran, dieses Geräusch hören zu können, denn der Platz, den das Zelt und auch der Wohnwagen einnehmen, war ja noch vor wenigen Stunden leer und dass er jetzt gefüllt ist und mir eine Begrenzung nach oben und unten und zu den Seiten gibt, das meint man körperlich spüren zu können.

Samstag, 25. August 2012

Heide und Nation

Soltau, Lüneburger Heide, 25.August 2012 

Dem Heidedichter Hermann Löns (1866-1914) verzeiht man nicht, dass er nationalistisches Gedankengut vertreten hat und deshalb von den Nazis verehrt wurde. Auch seine Liebe zur Natur und seine frühen Überlegungen zu einer Art von Umweltschutz retten ihn nicht. Ein Kritiker sagt in Wikipedia über Löns, dass "sein Engagement für den Naturschutz keine ökologischen Motive im heutigen Sinne" hatte, sondern durch Vaterlandsliebe geprägt war. "Natur war für ihn Rassenschutz, Kraftressource für das deutsche Volk und Volksgesundheitsbrunnen."

Freitag, 10. August 2012

Zu Fethullah Gülen



Im „Spiegel“ vom 6. August ist ein kritischer Artikel über Gülen erschienen, zu dem ich persönlich eine Reihe von Anrufen und eMails bekommen habe. Vielen ist bekannt, dass die meisten meiner Freunde unter den hiesigen deutschen Türken zu der Bewegung um Gülen gehören. Durch sie habe ich Bücher von Fethullah Gülen bekommen und gelesen, habe an Treffen der Gülencis, wie manche sie nennen, teilgenommen, darunter einer großen Konferenz in Potsdam 2009 (habe hier im Blog darüber berichtet) und bin seit ein paar Monaten im Beirat einer von ihnen eingerichteten Schule in Wuppertal.




Sonntag, 5. August 2012

Beach Boys - Wege zur Unsterblichkeit






Die Frage nach der Unsterblichkeit ist im Konzert von Anfang an gegenwärtig, am Freitagabend in der Berliner O2-World. Zunächst ist da die Unsterblichkeit der Zuhörer - in der Mehrzahl Vertreter meiner eigenen Nachkriegsgeneration, die sich nochmals vergewissern wollen, dass das alte Surfer-Lebensgefühl noch da ist. Ja, es ist noch da, am Besteigen eines Surfbrettes hindert uns nur der Umstand, dass die Gemahlin den Urlaub in Berchtesgaden gebucht hat statt am Atlantik, und eins der vielbesungenen braunen Surfer Girls für sich zu gewinnen, das wird ebenfalls noch gehen, nach zwei Strophen "Help me Rhonda" wird sie uns in die Arme sinken, das ist sicher. In dieser Gewissheit ewiger Jugend singen und tanzen meine Altersgenossen und schwenken Lichter. Unsere Jugend kann uns keiner nehmen.


Montag, 23. Juli 2012

Zehn Bibelworte für Muslime (X und Schluss)




Paraklet / Paraklyt

Der parakl--tos wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.

Johannes 14, 26

Am Ende möchte ich die Nähe zu meinen muslimischen Lesern, die mir bis hierhin gefolgt sind, dazu nutzen, in einem besonderen Konflikt zwischen Muslimen und Christen ein wenig Frieden zu stiften. Es geht um die Übersetzung des oben mit einem Bindestrich anstelle des viertletzten Buchstabens versehenen Wortes, das entweder parakletos oder paraklytos gelesen werden kann. Der zum Islam übergetretene Perser David Benjamin (1867 - 1940) hat sich dafür ausgesprochen, statt des im Christentum gebräuchlichen parakletos das um nur den einen Buchstaben verschiedene paraklytos zu lesen, welches sich mit der Gepriesene übersetzen lässt und somit einen frühen prophetischer Hinweis auf das Erscheinen des Propheten Mohammed bilden würde.

Sonntag, 15. Juli 2012

Zehn Bibelworte für Muslime (IX)




Der bucklige Gottesmann

Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.

Jesaja 53, 3 - 6

Der Prophet Jesaja ist unter den Propheten des Alten Testamentes, die im Koran keine Erwähnung finden, der bedeutendste. Einige identifizieren ihn mit Dhu l-Kifl in Sure 21 und 38, aber das ist ungewiss, und über das Leben und die Botschaft dieses Propheten erfährt man im Koran nichts. Für die Christen ist er von großer Bedeutung, weil er für sie eine deutliche Voraussage in Richtung auf Jesus hin gibt. Die Prophezeiungen des Jesaja sagen etwas sehr Tiefes über das Wesen Jesu aus.

Sonntag, 8. Juli 2012

Zehn Bibelworte für Muslime (VIII)




Offenbarung: das Paradies


Wer überwindet, dem werde ich einen weißen Stein geben und auf dem Stein geschrieben einen neuen Namen, den niemand kennt, als wer ihn empfängt.


Offenbarung 2,17


Koran und Bibel haben viele gemeinsame Vorstellungen vom Paradies am Ende der Zeiten. In der Bibel sind die meisten davon zusammengefasst im letzten Buch, der "Offenbarung". Die schöne Verheißung von dem weißen Stein und dem neuen Namen findet sich am Anfang dieses Buches. Sie geht später in der Erinnerung an die starken Bilder, die im weiteren Verlauf folgen - gewaltige Endkämpfe zwischen den Mächten Gottes und den Mächten des Teufels, eine neue Stadt, ein neues himmlisches Jerusalem - vielleicht bald wieder unter. Es lohnt aber, sie nicht zu vergessen.

Montag, 2. Juli 2012

Zehn Bibelworte für Muslime (VII)


Der verlorene Sohn


Und Jesus sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht.


(die ganze Geschichte findet sich in Lukas 15*)


Diese Geschichte ist sicherlich eine der anrührendsten in der ganzen Bibel - und sie ist wie die Geschichte von Abraham in Ägypten eine Geschichte, die von Migration handelt. Ein Bauer in Israel vererbt dem älteren Sohn den Hof und zahlt den jüngeren aus. Der Jüngere zieht, so wie es die zweiten Söhne von Bauern überall in der Welt immer wieder machen, in die Ferne. Er wird dort vom Unglück ereilt. Teils ist er selbst daran schuld (er gibt das geerbte Geld offenbar zu schnell aus), teils gerät er unverschuldet in Not (es bricht eine Hungersnot aus).

Montag, 25. Juni 2012

Zehn Bibelworte für Muslime (VI)




Abrahams Problem
Es kam aber eine Hungersnot in das Land. Da zog Abram hinab nach Ägypten.
1. Mose 12,10

Mit der Geschichte von Abrahams Problem, das er durch Verrat löst, wage ich mich an eine Bruchstelle, an der sich das christliche und das muslimische Verständnis von dem, was ein Prophet ist, scheiden. Muslime sehen in einem Propheten einen Menschen, der Gottes Botschaft nicht nur sagt, sondern auch verkörpert. Deshalb muss er in einem hohen Maße von Sünde frei sein, einem Maße, das ich noch nicht ganz verstanden habe, das aber die Maßstäbe der Christen sicherlich sprengt.



Montag, 18. Juni 2012

Zehn Bibelworte für Muslime (V)








Ein Prophet wie Mose

Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern erstehen lassen. Auf ihn sollt ihr hören. (5. Mose 18,15)

Dies ist ein Bibelwort aus dem Vermächtnis des Mose. Er spricht hier zu seinem Volk, am Ende seines Lebens. Der Koran legt beredtes Zeugnis davon ab, dass diese Worte immer wieder wahr geworden sind. Gott hat zu allen Zeiten Propheten auf die Erde gesandt, um den Menschen seinen Willen kund zu tun.


Montag, 11. Juni 2012

Zehn Bibelworte für Muslime (IV)


Von der Dummheit des Glaubens


Die Liebe glaubt alles.



1. Korinther 13, 6



Vermutlich würde eine repräsentative Umfrage unter Christen das Ergebnis bringen, dass unter den beliebtesten Kapiteln der Bibel das 13. Kapitel* des ersten Paulus-Briefes an die Korinther eine vordere Stellung einnimmt. Es wird das "Hohelied der Liebe" genannt und wird mit seinem letzten Satz 

Nun aber bleiben
Glaube,
Hoffnung,
Liebe,
diese drei;
aber die Liebe
ist die größte unter ihnen.








Montag, 4. Juni 2012

Zehn Bibelworte für Muslime (III)




Das Vaterunser



Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name.

(Matthäus 6 und Lukas 11)

Auch dieses Bibelwort ist - ähnlich wie Psalm 23 - in den Köpfen und Herzen vieler Christen jederzeit gegenwärtig, weil man es auswendig gelernt hat. Es ist ein schönes Gebet, das Jesus seine Jünger gelehrt hat, und dessen Kenntnis ich allen Muslimen ans Herz legen möchte, weil es ein großes Stück Verständnis für das Christentum öffnen kann.

Samstag, 26. Mai 2012

Zehn Bibelworte für Muslime (II)




Psalm 23

Gott ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln,

[...]

Gutes und Barmherzigkeit
werden mir folgen
mein Leben lang,
und ich werde bleiben
im Hause Gottes

für immer.

Psalm 23


Die sechs Verse von Psalm 23*, von denen ich oben den ersten und letzten aufgeschrieben habe, kennen viele Christen auswendig. Ich selbst habe sie in der Grundschule aufzusagen gelernt und habe sie mir in manchen schwierigen Situationen meines Lebens laut oder leise vorgesagt.




Donnerstag, 17. Mai 2012

Zehn Bibelworte für Muslime (I)




Wem die Erde gehört

Und wahrlich, Wir schrieben in den Psalmen: Erben sollen die Erde Meine gerechten Diener.
Sure 21,105 / Psalm 37,29


Mit dieser einzigen im Koran wörtlich zitierten Bibelstelle möchte ich eine Brücke schlagen zwischen dem Verständnis der beiden heiligen Bücher der Muslime und der Christen. Ich möchte in der Folge insgesamt zehn Bibelworte vorstellen, jede Woche eins, von denen ich nach vielen Gesprächen mit muslimischen Freunden sicher bin, dass sie ihr Herz erfreuen werden und etwas ansprechen, was in ihren Vorstellungen und in meinen verwandt ist. Wir haben unterschiedliche Textbücher, aber unsere Sehnsucht nach Gott geht in die gleiche Richtung.


Freitag, 20. April 2012

Neues über Samaria

Drei Wochen nach meiner in Samaria angesiedelten Facebook-Predigt berichtet zu meiner Überraschung auch der "Spiegel" über das Land um den heiligen Berg Garizim. Vieles von dem, was ich für die Predigt zusammengetragen habe - vom Dorf Kiryat Luza über die Bundeslade auf dem Ebal bis zum Vermächtnis des Mose - ist auch im Spiegelartikel enthalten. Was ich nicht hatte, sind die schönen Bilder von Priestern und Gottesdiensten der heutigen Samaritaner.


Und natürlich - der Spiegel deutet alles ganz anders. Neue Erkenntnisse, die Archäologen in jüngster Zeit gewonnen haben, konstruiert er zu der Geschichte eines zentralen jüdischen Heiligtums, das angeblich immer, dem Befehl des Mose entsprechend, auf dem Berg Garizim geblieben ist und viel mächtiger war als die Konkurrenz in Jerusalem. Die habe, legt der Spiegel nahe, den salomonischen Tempel gewissermaßen aus Neid erfunden, mitsamt den nur fiktiven Königen Saul, David und Salomo dazu. Alles Schwindel! sagt der Spiegel.